Liebe Freundinnen und Freunde des Grimme Online Award,

wir machen es mal kurz und schmerzvoll: Im Jahr 2024 wird es keinen Grimme Online Award in der gewohnten Form geben. Keine Einreichung im Januar, keine Bekanntgabe der Nominierungen, keine Preisverleihung. Vielleicht gibt es einen Preis in anderer Form in der zweiten Jahreshälfte, aber was und wie steht noch nicht fest. Das ist sicher nicht die frohe Weihnachtsbotschaft, die wir verkünden und Sie bekommen wollten – aber so ist es nun mal. Die Hintergründe habe ich ganz am Ende dieses Newsletters noch mal ausgeführt. Kommen wir lieber zunächst zu positiveren Inhalten.

Selten habe ich so viele Antworten auf einen Newsletter erhalten, wie auf die Frage nach einem gesunden Nachrichten- und vor allem Social-Media-Konsum. So viele Leser*innen haben das gleiche Problem – aber auch Tipps. Stellvertretend möchte ich hier padeluun zitieren: "Ja, ich bin (endlich!) auf *wirklich* Sozialen Medien unterwegs: Im Fediverse, dessen bekannteste Einstiegsplattform Mastodon ist. Damit ist es mithin wirklich völlig unnötig geworden, sich dem Überwachungskapitalismus, sei es Instagram, Twitter oder Facebook auszuliefern." Padeluun war beim Grimme Online Award mit dem Verein Digitalcourage e.V. nominiert und setzt sich für Datenschutz ein – und sie haben die Hintergründe zum Fediverse aufgeschrieben. Nach padeluuns engagiertem Plädoyer probiere ich das mit Mastodon auf jeden Fall aus. Sie auch? Mir haben aber auch mehrere Leute geschrieben, dass sie selbst gemerkt haben, wie unruhig sie immer waren, wenn sie das Handy mal nicht in der Hand hatten – zum Beispiel bei der Einschlafbegleitung für das Kind. Hier war dann die Lösung, die Social-Media-Apps radikal zu löschen, dann wurde es mit der Zeit besser. So richtig echt gedruckte Medien zu lesen, nichts vom Bildschirm, war auch ein Tipp. Und: sich mit richtigen, echten Menschen umgeben. Das ist doch mal ein Vorsatz für das kommende Jahr!



Mentale Gesundheit im Netz

Auch – und das fällt mir jetzt erst auf, während ich es schreibe – die aktuelle "medienconcret" widmet sich dem Wohlbefinden in der Mediengesellschaft. "Glücklich im Onlife?" ist das Heft überschrieben. Ich habe einen Beitrag über Social-Media-Angebote zu Mental Health dafür geschrieben. Untertitel und Tenor: "Wie Social Media psychische Erkrankungen und neurodiverse Störungen entstigmatisiert". Aycha Riffi und Lars Gräßer von der Grimme-Akademie haben einen Artikel über Hate Speech und die Folgen für die davon Betroffenen beigesteuert. Aber auch sonst gibt es irre viele und vielfältige Beiträge um das Thema.




Begriffskunde zur Diversität

Die Tage ist im Duden-Verlag ein außergewöhnliches Wörterbuch erschienen: Der Titel ist "Vielfalt" und es sind 100 Doppelseiten von 100 Autor*innen zu Stichwörtern von Ableismus bis Zionismus. Herausgegeben wurde es von Sebastian Pertsch, der 2015 für die "Floskelwolke" beim Grimme Online Award nominiert war. Ich durfte auch ein Kapitel für das Buch schreiben und zwar über das Stichwort Internet (natürlich!). Also falls Sie noch ein Weihnachtsgeschenk brauchen mit Hilfestellung für die Verwandtschaft oder selbst wissen möchten, was "kritisches Weißsein" ist, gehen Sie in die lokale Buchhandlung Ihres Vertrauens und fragen, ob sie es besorgen können. (Ich habe gehört, es verkauft sich ganz gut, aber der Nachdruck ist schon in Planung.)




Bärenstarke Worte*

Auch unser Nominierter von 2018, Christian Bär, hat ein Buch geschrieben. Er ist an ALS erkrankt und schreibt in seinem Blog "madebyeyes" und auf Social Media genau darüber. Das macht er unglaublich humorvoll – eine wichtige, informative und unterhaltende Lektüre. Das Buch auf Basis des Blogs wird erst noch erscheinen, kann aber beim Pinguletta-Verlag vorbestellt werden: verlag@pinguletta.de. 

(* jaja, ziemlich flach, ich weiß)

Bild: Georg Jorczyk / Grimme-Institut




Die Geschichte des Virus

Ende der 1980er Jahre infizierte ein hochansteckender Computervirus Rechner auf der ganzen Welt. Sein Programmierer: "Dark Avenger", so stand es im Code. Doch wer ist das? Der Podcast "Dark Avenger" von Shahrzad Golab – in diesem Jahr Mitglied unserer Nominierungskommission – und Maximilian Brose begibt sich auf seine oder ihre Spur und erzählt dabei auch Technikgeschichte und auch ein bisschen die Geschichte des Kalten Krieges. 



Foto: Rainer Keuenhof/Grimme-Institut

Die Geschichte von Grimme

Aber nicht nur Nominierte und Nominierungskommissionsmitglieder haben tolle Dinge produziert. Auch die Mitarbeiter*innen vom Grimme-Institut. Anlässlich des 50. Instituts-Geburtstags haben die Kolleg*innen ein Scrollytelling über die Grimme-Geschichte gemacht. Total schön!
 



Recherchen für die Gesellschaft

Auch in die Geschichte von Correctiv kann man schauen, anhand der Recherchen und Projekte, die sie seit 2014 durchgeführt haben – und für die sie oft beim Grimme Online Award nominiert waren bzw. einen Preis bekommen haben. Correctiv weist übrigens vor Weihnachten verstärkt darauf hin, dass man sie mit Spenden unterstützen kann. Ich schließe mich diesem Hinweis wie jedes Jahr an: Spenden Sie für guten Journalismus oder schließen Sie Abos ab. Netzpolitik.org braucht gerade zum Beispiel auch Unterstützung, andererseits.org bietet noch Abos an. Aber das sind nur willkürlich gewählte Beispiele für wichtige Projekte, die Geld brauchen um weiterarbeiten zu können. 


Bild: Preispatin Aline Abboud mit Mohamed Anwar, Miriam Lenz und Valentin Zick von Correctiv, Preisträger #GOA23 für "Schwangerschaftsabbruch in Deutschland". Arkadiusz Goniwiecha / Grimme-Institut




Der Hintergrund

Geld könnte das Grimme-Institut auch gut gebrauchen. Der eine oder die andere wird es mitbekommen haben: Dem Grimme-Institut geht es finanziell nicht besonders gut. Und das ist sehr milde formuliert. Zur Erklärung muss ich ein bisschen ausholen: Das Grimme-Institut ist gemeinnützig, es erwirtschaftet also keine Gewinne. Und es ist ein guter Arbeitgeber, weitestgehend ohne Zeitverträge und ähnlichen Kram. Das heißt, der Hauptteil des Etats geht in Gehälter und in Veranstaltungen wie den Grimme-Preis und den Grimme Online Award. Für beides sind die Kosten in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen, Tariferhöhungen, Corona, der Krieg in der Ukraine – die Gründe sind vielfältig. Wer es nicht selbst macht, glaubt nicht, wie viel ein Catering jetzt im Vergleich zu 2019 kostet. Im Unterschied zu anderen können wir diese Kosten aber nicht weitergeben, für die Preise gibt es weder eine Einreichungsgebühr noch Eintrittskarten – noch muss man bei uns für die Trophäe bezahlen (und nein, das ist auch eine Option!). Das Grimme-Institut wird dankenswerterweise von seinen Gesellschaftern finanziert, hauptsächlich vom Land NRW und der Stadt Marl, allerdings mit einer weitestgehend gleichbleibenden Summe, wobei das Land NRW für dieses Jahr schon was nachgeschossen und die Stadt Marl die Summe erhöht hat. In langen Verhandlungen und mit einem Verzicht der festangestellten Mitarbeiter*innen auf die nächste Tariferhöhung wurde erreicht, dass das Grimme-Institut weiter besteht und niemand entlassen wird. Aber es gibt für das kommende Jahr eine sehr große Einsparung: den Grimme Online Award. Er wird 2024 nicht in der gewohnten Form stattfinden, vielleicht gibt es einen kleineren Wettbewerb gegen Jahresende, vielleicht nehmen wir uns aber auch Zeit für gründliche Überlegungen wie wir es 2025 machen können. In @mediasres im Deutschlandfunk hat sich mit Nathanael Liminski gestern ein Vertreter der Gesellschafter öffentlich geäußert. In seiner Beschreibung klingt es so, als wäre über den Grimme Online Award im kommenden Jahr noch nicht final entschieden. Es wäre ja toll, wenn er doch stattfinden könnte – wir allerdings sehen nicht, wie wir das bezahlen könnten. 
Wobei "wir" auch nicht so stimmt. Wahrscheinlich bin auch ich nicht mehr dabei und andere Menschen im Grimme-Institut übernehmen den Preis. Auch diesen Newsletter wird es von mir nicht mehr geben – aber sicher erhalten Sie über diesen Kanal demnächst die Information, wie es mit dem GOA weitergeht. Wenn Sie aber weiterhin was von mir lesen möchten, schreiben Sie mir das doch kurz als Antwort auf diese Mail – dann schauen wir mal, wie wir uns demnächst vernetzen.  

Dann bleibt mir nur noch, Ihnen für das Lesen des Newsletters und die immer netten Rückmeldungen zu danken – bleiben Sie dem Grimme Online Award treu! Und natürlich: geruhsame Festtage und einen guten Rutsch in ein wunderbares 2024!

Verabschiedende Grüße

Vera Lisakowski




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